Hier kommt eine Auswahl alter bäuerlicher Bräuche, geordnet entlang des kirchlichen Jahreskreises. Viele davon sind in Österreich, Bayern, Südtirol und der Alpenwelt verwurzelt, manche uralt, manche heute noch lebendig.
Advent – die Zeit des Wachens
Im Advent war früher eine strenge Fastenzeit, und die Bauernfamilien hielten sich zurück mit lauten Arbeiten.
Dafür gab es andere Bräuche:
Rorate-Messen
Vor Sonnenaufgang gingen die Leute mit Laternen zur Kirche – ein leuchtender Zug durch die Dunkelheit. Danach gab’s oft nur ein einfaches Frühstück: Milch, Brot, vielleicht ein Apfel.
Klopfnächte (4.–6. Dezember)
In vielen Dörfern klopfte man mit Zweigen an Wände und Stalltüren, um Haus und Tiere vor Unheil zu schützen. Ein alter Aberglaube? Vielleicht. Aber vor allem ein Wunsch nach Frieden.
Lucia-Tag (13. Dezember)
Er galt als der kürzeste Tag – und als einer, an dem die Geister besonders wach waren.
Mädchen stellten Strohschuhe vor die Tür, in manchen Höfen wurde der Luciaweizen angesät, der als Omen für das kommende Jahr diente.
🎄 Weihnachten – “Es wird ein Licht geboren”
Räuchern
Zwischen Weihnachten und Dreikönig ging man drei Mal durchs Haus und durch den Stall: mit Weihrauch, Weihwasser und Gebet. Eine Mischung aus Glauben, Hygiene und Hoffnung.
Dreikönigssegen
Die Sternsinger schrieben „C + M + B“ über die Türen.
Früher machten das oft die Hausväter selbst – der Segen sollte das Vieh schützen und das Glück im Stall halten.
Christbaum & Strohstern
Bevor es Glasornamente gab, hingen Bauernkinder Äpfel, Nüsse und selbstgebundene Strohsterne auf – Symbole der Ernte und des Lebens.
🕯️ Mariä Lichtmess (2. Februar) – „Aussa wennt, eini wennt’s“
Ein uralter Stichtag!
- Die Dienstboten wurden „ausgemietet“ oder blieben ein weiteres Jahr.
- Die Kerzen für den Jahreslauf wurden geweiht.
- Bauern schauten aufs Wetter:
„Ist’s zu Lichtmess hell und klar, gibt’s ein spät’ und kaltes Jahr.“
Mancherorts wurde erst nach Lichtmess der letzte Weihnachtsschmuck verräumt.
🟣 Fastenzeit – Reinigung von Haus, Hof und Herz
Funken- und Blochziehen
Um Fasching und Fastenbeginn wurde der Winter vertrieben:
Die Burschen zogen einen Holzblock durch das Dorf oder brannten Funkenfeuer ab.
Symbolisch wurde der Winter begraben oder „hinausgetragen“.
Heringsschmaus
Am Aschermittwoch gab’s Fisch – meist Hering, weil er salzig war und gut lagerte.
Eine erste Vorbereitung aufs Fasten.
✝️ Karwoche – Stille wie kein anderes Mal im Jahr
Ratschen
Wenn die Glocken „nach Rom fliegen“, gehen die Buben mit hölzernen Ratschen durchs Dorf und rufen die Zeiten aus. Ein hartes, klapperndes, aber ehrliches Geräusch.
Speisenweihe
Zu Ostern wurden Eier, Brot, Schinken, Butterlämmer und Salz geweiht – die Grundnahrungsmittel des Bauernhauses.
🕊️ Ostern – Auferstehung der Natur und des Feldes
Osterfeuer
Am Land zündete man Feuer an, mit dem man auch den Herd zu Hause „neu entzündete“. Ein Zeichen der Erneuerung.
Eierpecken
Altes Spiel mit Sinn: Das Ei ist ein Symbol des Lebens.
Wer gewinnt, dem steht das kommende Jahr unter gutem Stern, so glaubte man.
🌼 Frühjahr – Die Rückkehr der Arbeit
Geweihte Palmzweige
Sie wurden im Stall aufgehängt, in den Garten gesteckt oder in den Acker gesteckt, damit Blitz, Wetter und Krankheit fernblieben.
Bittprozessionen (Rogationstage)
Vor Christi Himmelfahrt zogen die Leute über die Felder und baten um eine gute Ernte, Wettersegen und Schutz.
Und wenn die Bitttage verklungen waren und das junge Grün schon fest in der Erde stand, kam Fronleichnam.
Ein Fest, das wie ein Blütenkranz über dem Frühsommer lag.
Man zog mit dem Allerheiligsten hinaus, dorthin, wo die Felder rauschten und die Gärten dufteten.
Blumen wurden gestreut, nicht als Zierde, sondern als kleines Zeichen der Freude, dass Gott nicht nur im Kirchhaus wohnt, sondern mitten unter uns – auf den Wegen, die wir täglich gehen.
So gab man der Welt den Segen zurück, den man zuvor erbeten hatte.
🌾 Sommer – Die Zeit des Wachstums
Herz-Jesu-Freitag (Tirol & Südtirol)
Man entzündete Bergefeuer – ein feuriges Zeichen für den Glauben und die Heimat.
Johannistag (24. Juni)
Würzkräuter wurden geschnitten.
Man sprang über die Johannisfeuer – als Reinigungsritus und Spaß zugleich.
Kräuterbuschen (Maria Himmelfahrt, 15. August)
Ein prachtvoller Brauch:
Bauernfrauen banden Sträuße aus bis zu 77 Kräutern (oder 7 × 7).
Sie wurden geweiht und später für Tee, Heilung, Stall und Haus verwendet.
🍂 Herbst – Dank und Abschied
Erntedank
Die Erntekrone steht symbolisch für die Fülle.
Man schmückt sie mit Getreide, Früchten und Blumen des Feldes.
Allerseelen (2. November)
Man ging zu den Gräbern, entzündete Lichter und brachte oft „Allerseelenzöpfe“ (Süßgebäck).
Es war ein Tag, an dem das Dorf still wurde.
❄️ Winter – wenn die Welt ihren Atem anhält
Martini (11. November)
Das bäuerliche Wirtschaftsjahr endete, das Vieh wurde eingestallt, und es begann die eigentliche Winterzeit.
Die Martinigansl ist ein Überbleibsel dieses Wechsels.
Perchtenläufe
Ab Weihnachten bis Anfang Jänner zogen die Perchten über die Dörfer, um den Winter zu vertreiben – ein Brauch, der älter ist als die Kirche selbst.
Was diese Bräuche bedeuten
In all diesen Ritualen lebt ein Gedanke:
Der Mensch ist Teil von Erde und Himmel zugleich.
Der kirchliche Kalender gab Struktur, aber die Bauern haben daraus ein Lebenswerk gemacht, das von Achtung geprägt ist:
- vor der Natur,
- vor dem Jahreslauf,
- vor dem Unsichtbaren.