🌍 CBAM: Europas CO₂-Zoll kommt – und was HBI aus Texas damit zu tun hat
Die Dekarbonisierung der Industrie schreitet mit großen Schritten voran – und sie macht nicht an den Grenzen halt. Mit dem Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) führt die Europäische Union ein Instrument ein, das sicherstellen soll, dass importierte Güter künftig denselben CO₂-Kosten unterliegen wie Produkte aus europäischer Herstellung. Klingt technisch, hat aber enorme Sprengkraft – gerade für Branchen wie Stahl, Zement oder Aluminium.
Eines der interessantesten Praxisbeispiele liefert die Voestalpine – und ein Produkt namens HBI (Hot Briquetted Iron).
🔩 Vom Erz zum grünen Stahl – und eine Anlage in Texas
Die Voestalpine errichtete 2016 in Corpus Christi, Texas (USA) eine hochmoderne Anlage zur Herstellung von HBI – also heißbrikettiertem Eisen, einer festen, transportfähigen Form von direkt reduziertem Eisen (DRI).
Der Clou: Bei der Herstellung von HBI wird Eisenerz mit Erdgas statt Koks reduziert – die CO₂-Emissionen sind also deutlich niedriger als bei klassischer Hochofenproduktion.
Nach erfolgreichem Betrieb verkaufte die Voestalpine im Jahr 2022 80 % der Anteile an ArcelorMittal, behielt aber 20 % und vor allem: langfristige Lieferrechte.
Seitdem bezieht die Voestalpine einen erheblichen Teil ihres HBI-Bedarfs – rund 420.000 Tonnen jährlich – aus eben dieser Anlage.
💶 Und hier kommt der CBAM ins Spiel
Mit dem CBAM will die EU sicherstellen, dass eingeführte Industrieprodukte nicht günstiger sind, nur weil sie außerhalb Europas unter weniger strengen CO₂-Vorschriften hergestellt wurden.
Der Mechanismus funktioniert wie ein „CO₂-Zoll“:
- Importeure müssen den CO₂-Gehalt eines Produkts melden,
- und ab 2026 (nach der derzeitigen Übergangsphase) Zertifikate kaufen, die den CO₂-Kosten entsprechen, die ein EU-Hersteller zahlen müsste.
Für Eisen und Stahl gilt CBAM schon jetzt in der Übergangsphase. Darunter fällt auch das Produkt HBI, klassifiziert unter Zolltarifnummer 7203 10 00 („Ferrous products obtained by direct reduction of iron ore, in lumps or pellets, hot-briquetted“).
Aktuell beträgt der klassische EU-Einfuhrzoll für HBI: 0 %.
Doch der CBAM bedeutet: Null Zoll ≠ null Kosten.
Der CO₂-Gehalt des HBI wird künftig in Geld gemessen – je nach eingesetztem Energieträger, Herkunftsland und Nachweis der tatsächlichen Emissionen.
🌱 HBI als Testfall für eine neue Handelslogik
Das Beispiel zeigt perfekt, wie sich Klimapolitik und Handelspolitik verschränken:
- Die Voestalpine investiert in emissionsärmere Vormaterialien – und nutzt globale Ressourcen.
- Die EU führt gleichzeitig ein Instrument ein, das genau solche Emissionen bepreist.
- Importiertes HBI kann durch CBAM also „neutralisiert“ werden: wer klimafreundlich produziert, zahlt wenig; wer CO₂-intensiv produziert, mehr.
Langfristig soll das „Carbon Leakage“ verhindern – also die Abwanderung energieintensiver Produktion in Länder ohne CO₂-Kosten.
⚙️ Was Unternehmen jetzt tun sollten
Auch wenn CBAM kompliziert wirkt, ist der Handlungsbedarf klar:
- Tarifierung prüfen: Für jedes importierte Produkt (z. B. HBI = CN 7203 10 00) muss der korrekte HS-/CN-Code verwendet werden.
- Emissionen erfassen oder nachweisen: Liegen keine geprüften Daten vor, greifen die EU-„Default-Werte“ – oft zum Nachteil der Importeure.
- Prozesse auf 2026 vorbereiten: Dann wird aus dem Meldeverfahren eine echte Abgabepflicht.
CBAM ist der Versuch der EU, ihren Klimaschutz und Wettbewerb zusammenzubringen.
💡 Bonus: Die drei wichtigsten Fakten zu CBAM auf einen Blick
- Start: Übergangsphase seit Oktober 2023, volle Wirksamkeit ab 2026
- Betroffene Sektoren: Eisen & Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel, Strom, Wasserstoff
- Kernidee: CO₂-Preisgleichheit zwischen EU-Produkten und Importen
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