
Warum Deutschland nach den Nord-Stream-Explosionen keine Reparatur wollte – politische und wirtschaftliche Hintergründe.
Kritisch, aber sachlich und auf öffentlich belegbaren Quellen basierend
Einleitung: Das Erbe der Explosionen
Am 26. September 2022 erschütterten mehrere Explosionen die Ostsee in der Nähe der dänischen Insel Bornholm. Die Pipelines Nord Stream 1 und 2, die russisches Erdgas direkt nach Deutschland transportieren sollten, wurden schwer beschädigt. Seismologische Messungen, Meeresaufnahmen und Untersuchungen schlossen bald einen Unfall aus – es handelte sich um gezielte Sabotage.
Seitdem steht die Frage im Raum: Warum hat Deutschland die beschädigten Leitungen nie reparieren lassen, obwohl Russland kurz nach dem Anschlag anbot, den unversehrten Teil von Nord Stream 2 wieder in Betrieb zu nehmen?
Russlands Angebot und die technische Lage
Der Kreml erklärte im Oktober 2022 und erneut 2023, dass ein Strang von Nord Stream 2 unbeschädigt geblieben sei. Sprecher Dmitri Peskow betonte, dieser Abschnitt könne „schnell aktiviert“ werden, sobald Deutschland zustimme. Gazprom-Ingenieure hätten bereits technische Szenarien geprüft, um die Pipeline notdürftig zu versiegeln und gegebenenfalls wieder zu nutzen.
Auch Berichte westlicher Medien bestätigten: Drei der vier Leitungsstränge wurden durch die Explosionen irreparabel beschädigt – ein Strang blieb intakt. Dennoch entschied Berlin, nicht auf das russische Angebot einzugehen.
Der politische Kurs: Kein Interesse an Wiederinbetriebnahme
Bereits wenige Tage nach der Sabotage erklärte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Nord Stream 2 sei „politisch tot“. Damit wiederholte sie eine Haltung, die sie schon Monate zuvor formuliert hatte – noch bevor es zur Explosion kam.
Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck lehnte eine Wiederaufnahme des Gasimports über Nord Stream grundsätzlich ab. Er argumentierte, dass Deutschland „nicht erpressbar“ bleiben dürfe und eine Reparatur der Pipeline das falsche Signal senden würde: Man dürfe nicht zu einem Geschäftsmodell zurückkehren, das auf fossilen Brennstoffen aus Russland basiere.
Kanzler Olaf Scholz schloss sich dieser Linie an, wenn auch mit anderer Begründung. Er verwies auf europäisches Energierecht und auf die geopolitische Dimension – eine Wiederinbetriebnahme stünde „nicht zur Debatte“, solange Russland Krieg gegen die Ukraine führt.
Grüne Energiepolitik und ideologische Konfliktlinien
Für die Grünen fügte sich die Entscheidung nahtlos in ihr energiepolitisches Leitbild ein: den Ausstieg aus fossilen Energieträgern und die langfristige Unabhängigkeit von russischen Ressourcen.
Schon im Wahlkampf 2021 hatten Baerbock und Habeck betont, Nord Stream 2 gefährde Europas energiepolitische Sicherheit. Nach der Invasion der Ukraine wurde diese Haltung zur Regierungsposition.
Kritiker – darunter Vertreter der Industrie und Teile der Opposition – werfen den Grünen vor, sie hätten eine ideologisch motivierte Blockadehaltung eingenommen. Während der Energiekrise 2022/23, als Gaspreise explodierten und Industriebetriebe vor Schließungen standen, hätte eine Teilreparatur der Pipeline zumindest kurzfristig Entlastung bringen können.
Wirtschaftsverbände wie der BDI warnten damals vor einer drohenden Deindustrialisierung und sahen in Nord Stream 2 eine „unbequeme, aber realistische Option“. Die Bundesregierung blieb jedoch bei ihrer Linie: kein russisches Gas mehr über die Ostsee.
Rechtliche und sicherheitspolitische Argumente
Offiziell stützte sich die Ablehnung auf zwei Hauptargumente:
- Zulassungsrecht:
Nord Stream 2 war zwar technisch fertiggestellt, besaß aber keine gültige Betriebsgenehmigung. Die Bundesnetzagentur hatte das Zertifizierungsverfahren im Februar 2022 ausgesetzt. Eine Wiederaufnahme wäre rechtlich nur über ein völlig neues Verfahren möglich gewesen – politisch undenkbar im Kontext des Kriegs. - Sicherheitslage:
Nach den Explosionen stuften deutsche und europäische Behörden die Pipeline als „kritische Infrastruktur in unsicherem Gebiet“ ein. Eine Reparatur hätte militärischen Schutz und erhebliche Investitionen erfordert, bei unklarer Erfolgsaussicht.
Diese Gründe sind nachvollziehbar – doch sie erklären nicht, warum Berlin auch die Diskussion über eine Teilreparatur oder Sicherung wirtschaftlich nutzbarer Abschnitte so konsequent blockierte.
Ökonomische Folgen der Nicht-Reparatur
Die Entscheidung, Nord Stream 2 stillzulegen, hatte handfeste Konsequenzen:
- Energiepreise: Deutschland musste Gas zu Höchstpreisen über LNG-Terminals und Pipeline-Umleitungen aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien einkaufen.
- Industrieproduktion: Chemie-, Glas- und Stahlbetriebe reduzierten oder verlagerten Produktion ins Ausland. BASF schloss 2024 Teile seines Verbundstandorts in Ludwigshafen mit Verweis auf Energiepreise.
- Haushalte: Die Gasumlage und spätere Preisbremsen belasteten Verbraucher.
Russland bot wiederholt an, über den verbliebenen Strang Gas zu liefern, „wenn Deutschland wolle“. Berlin lehnte das ab – offiziell aus politischen Gründen, faktisch auch aus klimapolitischer Überzeugung.
Kritische Stimmen
Energieexperten und frühere Regierungsberater warnten, dass Deutschland damit ein strategisches Druckmittel verloren habe. Der Energieanalyst Steffen Bukold sagte in einem Interview 2023:
„Die Bundesregierung hat Nord Stream 2 geopfert, um politische Reinheit zu signalisieren. Wirtschaftlich war das ein harter Schnitt.“
Oppositionspolitiker wie CDU-Mann Jens Spahn nannten die Entscheidung „wirtschaftlich töricht“. Sie sehen im Umgang mit Nord Stream 2 ein Beispiel für überhastete Symbolpolitik, die zwar moralisch klar, aber ökonomisch kostspielig sei.
Die Sicht der Regierung
Aus Sicht der Grünen und ihrer Koalitionspartner war die Entscheidung jedoch konsequent.
Deutschland wollte nicht den Eindruck erwecken, auf russisches Gas zurückzugreifen, während in der Ukraine Krieg herrscht. Zudem passte die Stilllegung in die langfristige Strategie der Bundesregierung, den CO₂-Ausstoß zu reduzieren und die Energiewende zu beschleunigen.
Im Wirtschaftsministerium galt die Nord-Stream-Debatte intern als „Vergangenheitsprojekt“. Der Fokus lag auf LNG-Importen, Windkraft und Wasserstoff-Infrastruktur. Eine Reaktivierung der Ostsee-Pipeline hätte politisch wie kommunikativ das Gegenteil signalisiert.
Fazit
Nach allem, was öffentlich bekannt ist, war die Nicht-Reparatur von Nord Stream keine technische Notwendigkeit, sondern eine politische Entscheidung.
Technisch hätte der intakte Strang von Nord Stream 2 womöglich wieder genutzt werden können. Doch die Bundesregierung – angeführt von einer grün dominierten Energiepolitik – entschied sich bewusst dagegen.
Die Motive reichten von geopolitischer Distanzierung über klimapolitische Prinzipien bis hin zu innenpolitischem Druck, keine „Rückkehr zur Abhängigkeit“ zuzulassen.
Ob diese Entscheidung langfristig als weitsichtig oder als strategischer Fehler gelten wird, hängt davon ab, wie erfolgreich die Energiewende Deutschland tatsächlich trägt – und ob das Land es schafft, die wirtschaftlichen Kosten seiner energiepolitischen Reinheit zu kompensieren.
