Nord Stream 2: War es ein westlicher Geheimdienstschlag?
Am 26. September 2022 erschütterte eine Explosion das Machtgefüge in Europa. Nicht nur symbolisch, sondern ganz konkret: Die Nord-Stream-Pipelines – Nord Stream 1 und 2 – wurden unter Wasser zerstört. Seither stehen viele Fragen offen. Wer hat es getan? Warum geschah es? Und: könnte ein westlicher Geheimdienst hinter der Tat stecken?
🧱 Grundlagen zu Nord Stream 2
Nord Stream 2 (NS2) ist (bzw. war) eine Gaspipeline von Russland nach Deutschland durch die Ostsee, parallel zur bestehenden Nord Stream 1.
- Länge: ca. 1.230 km
- Kapazität: bis zu 55 Mrd. m³ Erdgas pro Jahr
- Betreiber: Nord Stream 2 AG (Tochter von Gazprom)
- Bauzeit: 2018–2021
- Kosten: rund 10 Mrd. Euro (etwa zur Hälfte von europäischen Energieunternehmen mitfinanziert)
⚙️ Ziel des Projekts
Offiziell: Energieversorgungssicherheit für Europa und günstigere Gaspreise.
Inoffiziell bzw. geopolitisch:
- Russland wollte den Gastransit durch die Ukraine umgehen (um politische und finanzielle Abhängigkeiten zu reduzieren).
- Deutschland wollte eine stabile, direkte Gasverbindung ohne Transitrisiken.
💥 Explosionen im September 2022
Am 26. September 2022 kam es zu mehreren Explosionen an den Pipelines Nord Stream 1 und 2 in der Ostsee, nahe der dänischen Insel Bornholm.
Die Folge: massive Lecks, die Pipelines sind seitdem außer Betrieb und angeblich irreparabel beschädigt.
(Warum Deutschland nach den Nord-Stream-Explosionen keine Reparatur wollte – politische und wirtschaftliche Hintergründe -> hier verlinkt)
Warum die westliche Geheimdienst-Hypothese plausibel erscheint
Hier sind die Gründe, die diese These nicht als abwegig erscheinen lassen, sondern als ernstzunehmende Möglichkeit:
- Strategischer Nutzen für den Westen
- Nord Stream 2 war ein bedeutendes Projekt, durch das Russland seine Gashandel-Route nach Europa festigen und seine Abhängigkeit von Transitstaaten (z. B. Ukraine) reduzieren konnte. Für viele in Europa und den USA bestand ein Interesse, dieses Machtinstrument zu schwächen.
- Durch die Sabotage entfiel das Risiko, dass im Konfliktfall Russland Gaslieferungen als politisches Druckmittel nutzt, indem Transitländer erpresst oder umgangen werden.
- Technische Durchführbarkeit durch spezialisierte Dienste
- Die Explosionen fanden in Tiefen von rund 70-80 Metern statt, unter Wasser, vermutlich mit mehreren Sprengladungen. Das verlangt nach spezialisiertem Know-how, Tauch- und Sprengtechnik, Logistik, Koordination. Geheimdienste verfügen über diese Fähigkeiten.
- Die Einsatzmöglichkeiten sind durch die Ostsee als ein relativ geschütztes Binnenmeer gegeben: Man kann Taucher oder Spezialboote einsetzen, vielleicht unbemerkt in Seegebieten agieren, insbesondere unter dem Deckmantel von Marineübungen oder zivilen Forschungsfahrten.
- Indizien und Untersuchungsanekdoten, die auf verdeckte Operation hindeuten
- Der Investigativjournalist Seymour Hersh brachte 2023 einen Bericht, demzufolge US-amerikanische Geheimdienste die Zerstörung hätten geplant und ausgeführt. Er nennt Details wie die Nutzung gecharterter Schiffe, spezielle Teams, die Vorarbeit geleistet hätten. Auch wenn Hershs Angaben vielfach auf anonymen Quellen beruhen, haben sie Gewicht, weil sie konsistent sind und technischen Elementen entsprechen, die in offiziellen Gutachten als relevant gelten.
- Berichte über eine Yacht („Andromeda“), die in Zusammenhang mit Sprengstoffspuren und ukrainischen Staatsangehörigen genannt wird, lassen Raum für Spekulationen, ob nicht lokale Agenten oder staatlich tolerierte Gruppen vor Ort agiert haben — vielleicht mit Unterstützung oder Know-how aus dem Ausland.
- Schwächen und Lücken in den öffentlichen Ermittlungen
- Die Ermittlungen in Dänemark und Schweden wurden letztlich eingestellt ohne Abschlussbericht mit Schuldzuschreibung. Deutschland hat weitere Schritte unternommen, aber auch dort ist vieles geheim gehalten worden oder wird nicht veröffentlicht.
- Aussagen von Behörden deuten an, dass es wohl Hinweise gibt, aber nicht ausreichend, um eine definitive Anklage zu erheben. Geheimdienstliche Operationen lassen sich oft schwer durch offene Ermittlungen belegen. Spuren verwischen, Akten sind geheim, technische Daten vertraulich.
Mein Blick: Warum ich persönlich an diese Spur glaube
- Weil klassische Erklärungen ungeklärte Lücken lassen — wie z. B. Wie die Sprengladungen präzise platziert wurden, wer Logistik, Transport und Umweglösungen organisiert hat, und warum danach nie eine Akteurengruppe wirklich Verantwortung übernommen hat.
- Weil die Ereignisse in eine Periode fallen, in der die westlichen Staaten energisch daran arbeiteten, Russlands Einfluss in Europa zu reduzieren – auch durch Energiesanktionen, Ausbau alternativer Gaslieferungen etc. Eine Aktion gegen Nord Stream 2 wäre dann ein schwerer Schlag gegen eine zentrale Struktur russischer Energiepolitik.
- Und weil investigative journalistische Quellen, obwohl nicht beweiskräftig im juristischen Sinn, doch konsistent von Operationselementen berichten, die nicht trivial zu sein scheinen: koordinierte Logistik, Geheimhaltung, Timing.
Hinweise & technische Indizien
| Indiz | Kurzbeschreibung | Stärke der Quelle / Verlässlichkeit | Bedeutung für die Geheimdienst-Hypothese |
| Satelliten-Daten über Schiffe ohne AIS | Zwei ziemlich große Schiffe („dark ships“) wurden wenige Tage vor den Explosionen in der Nähe der Leckstellen gesichtet. Sie hatten ihre AIS-Transponder ausgeschaltet, also „unsichtbar“ für die normalen Schiffsüberwachungs-Systeme. | Mittel bis solide; stammt aus privater Analysefirma („SpaceKnow“) und Medienberichten. Aber nicht Teil eines offiziellen Abschlussberichts, soweit öffentlich bekannt. | Sehr relevant: Das Abschalten von AIS ist typisch bei verdeckten Operationen; solche Schiffe könnten zur Vorbereitung oder Logistik gedient haben. Passt zur Hypothese, dass eine koordinierte Aktion mit Zugang zu Gravitation und Unterwassertechnik nötig war. |
| Seismische Untersuchungen & Zeitablauf der Explosionen | Forscher fanden mind. vier Explosionen: zwei zuerst, zwei weitere Sekunden später, nordöstlich der Insel Bornholm. Mit Methoden wie Polarisation und erweiterten stationären Netzen wurde versucht, die Quelle zu lokalisieren. | Hoch; gute wissenschaftliche Methoden, Peer-Review oder zumindest Fachpublikation/preprint vorhanden. | Diese Explosionsfolgen passen zu dem Szenario, dass Sprengladungen gezielt an verschiedenen Punkten und Tiefen angebracht wurden. Kein „einzelner Unfall“, sondern koordiniert. |
| Yacht Andromeda / Crew / Koordinierung über Polen | Laut verschiedenen Berichten wurde die Yacht Andromeda kurz vor dem Sabotageereignis gechartert, hat Häfen besucht (z. B. Deutschland/Polen), und soll laut Medienquellen eine Crew mit Tauchern und Sprengstoffexperten gehabt haben. Dazu seien mobile Daten (Handys, GPS), Navigationsdaten und andere Indizien ausgewertet worden. Ein Mann, Serhii K., wurde in Italien festgenommen auf Ersuchen deutscher Behörden, unter Verdacht, Koordinator gewesen zu sein. | Mittel; viele Hinweise stammen aus Medien wie WSJ, Pravda-Ablegern, nationale Ermittlungsquellen, aber: bislang keine öffentlich zugänglichen Gerichtsunterlagen, die alle Details bestätigen. Es gibt Widersprüche (z. B. Aussagen polnischer Behörden, ob die Yacht wirklich beteiligt war) und Geheimhaltung. | Sehr wichtig: Wenn diese Spur stimmt, spricht alles für eine geplante Operation mit Logistik, Planung und Ressourcen. Die Einbindung einer Yacht macht es plausibler, dass Mehrere mit Wissen und Mitteln beteiligt waren. |
| Deutschland: Haftbefehlsverfahren | Es gibt Berichte (z. B. August-September 2025), dass ein Europäischer Haftbefehl gegen den ukrainischen Verdächtigen Serhii K. ausgestellt wurde und dass ein italienisches Gericht seine Auslieferung nach Deutschland genehmigte, da er verdächtigt wird, einer der Koordinatoren gewesen zu sein. | Relativ solide; offizielle Justizbehörden sind involviert, und Verhaftung/Auslieferungsverfahren sind öffentlich. Allerdings: Verdacht, nicht Verurteilung. | Zeigt, dass Ermittlungsbehörden genügend Material gesehen haben, um offiziell gegen Personen vorzugehen. Das unterstreicht: Es handelt sich nicht nur um Spekulation, sondern um eine handfeste Untersuchung mit realen Verdächtigen. |
| Satellitendaten über Leckgrößen & Methan-Freisetzung | Satelliten (z. B. von China Gaofen-5, und kanadische Betreiber) haben Schätzungen der Leckrate aus dem Schaden erstellt: manchmal über 20 Tonnen Methan pro Stunde, in anderen Schätzungen bis zu 70 Tonnen/h. Auch Bilder zeigen große Methanblasen auf der Oberfläche. | Hoch in Bezug auf Umwelttechnik und Sichtbarkeit der Folgen; Daten zum Zeitpunkt und Ort sind gut; aber sie liefern nicht direkt Belege für den Täter, nur für das Ausmaß des Schadens. | unterstützt das Narrativ, dass die Pipeline intakt Gas führte zum Zeitpunkt der Explosionen und dass es sich nicht um einen kleinen, unbedeutenden Schaden handelte. Wenn viel Gas durch eine Pipeline strömt, ist das Risiko größer, dass jemand bewusst eingreift, um maximale Wirkung zu erzielen. |
Mögliche Szenarien mit diesen Indizien
Aus diesen Informationen lassen sich ein paar Szenarien entwerfen, die zur Hypothese einer westlichen Geheimdienst-Operation passen:
- Vorbereitung über Yacht und Tarnung
Die „Andromeda“ wird genutzt, um Sprengcharge, Taucher oder Teil der Ausrüstung nahe genug an die Pipeline zu bringen. Durch das Abschalten des AIS wird Tarnung erreicht. Häfen in Deutschland/Polen dienen als Start-/Logistikpunkte. - Technische Koordination und Präzision
Mehrere Sprengladungen an verschiedenen Stellen zur gleichen Zeit bzw. in enger Folge deuten auf ein Team mit Erfahrung und guter Planung – nicht auf improvisierte Aktion. - Deckung durch Routine-Maritime Aktivitäten und Untersuchungsblockaden
Große marine Übung oder zivile Schiffe („Tourismus“), die in der Nähe sind, können als Deckmantel dienen. Offizielle Ermittlungen stoßen an Grenzen durch Geheimhaltung, fehlende Zuständigkeit, politische Rücksichtnahmen.
Was noch fehlt / wozu weiterer Nachweis nötig ist
- Vollständiger, zugänglicher Ermittlungsbericht mit forensischen Daten, die eindeutig Sprengstoffreste identifizieren (z. B. chemische Analyse der Rückstände), Rückverfolgung zum Hersteller, Transportwege.
- Bestätigung der Identitäten aller Beteiligten (z. B. der Taucher, Crew der Andromeda), inkl. Zeugenaussagen oder andere Dokumente.
- Kriegstage-Logs, Schiffsbewegungsaufschlüsselung, Radar- und Satellitendaten, die zeigen: Wer war wann wo, mit welchen Schiffen und welchen Materialen.
- Klarheit über Rolle von Geheimdiensten: Finanzierung, Auftraggeber, Befehlskette. Das sind in der Regel die am stärksten geschützten Informationen – fehlen meist oder werden geheim gehalten.
Dossier: Bekannte Fakten, Spuren & offene Fragen.
Quellen & Ermittlungsgeschehen
| Quelle / Beteiligte | Beschriebene Tatsachen / Behauptungen | Verlässlichkeit / Beweislage | Bedeutung für Geheimdienst-These |
| Deutsche Ermittlungsbehörden & Medienkooperation (ARD, Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, NDR, WDR etc.) | Sechs ukrainische Staatsangehörige mit Haftbefehl; Vermutung, dass eine Gruppe diverser Personen darunter Taucher, ein Koordinator, eine Frau, ein Explosivexperte, ein Kapitän über die Yacht Andromeda operierte. Die Yacht wurde in Rostock gechartert. | Mittel-hoch: Viele Indizien aus Ermittlungsakten, Medienrecherchen, Aussagen von Behörden; jedoch: noch kein öffentlicher Vollbeweis, viele Teile noch in Vorermittlung oder Geheimhaltung. | Zeigt: Es existiert eine belastbare Spur, die über zivil tätige Agenten bzw. Beteiligte geht. Wenn diese Spur seriös verfolgt werden kann, ist eine staatliche Planung oder Unterstützung nicht ausgeschlossen. |
| Yacht Andromeda | Gechartert in Rostock, mit verdächtigen Routen (z. B. über Rügen, Christians), Personal mit Taucher- und Explosivkenntnis. Einige Crewmitglieder sollen gefälschte Pässe gehabt haben. | Mittel: viele Angaben aus Medien und polizeilichen Ermittlungen; aber genaue Daten oft geheim oder unbestätigt. | Diese Spur liefert ein operativ-technisches Element: eine Plattform (Yacht) zur Nähe zum Tatort, Mobilität, Tarnung. Das passt gut zu einem Szenario, in dem spezialisierte Kräfte agieren. |
| „Dark ships“ / AIS-Ausfall-Schiffe laut SpaceKnow & WIRED | Satellitenanalysen zeigen, dass in den Tagen vor den Explosionen Schiffe ohne aktive AIS-Transponder („dark ships“) in der Nähe der Pipelineleckstellen gefahren sind. | Relativ solide als Beobachtung: die Satellitendaten sind öffentlich / halböffentlich und die Auswertung nachvollziehbar. Aber: Diese Schiffe sind nicht eindeutig identifiziert worden, sie liefern keinen Hinweis auf Verantwortliche oder Auftraggeber. | Relevant: zeigt, dass jemand sich vorbereitet haben könnte, mit Schiffen, die ihre Spuren verbergen. Unterstützt die Hypothese einer geheimen, professionellen Operation, weniger die eines spontanen oder lokalen Akteurs ohne Ressourcen. |
| Wissenschaftliche / geophysikalische Studien | Seismische Analyse (z. B. Polarisation Methode) zeigt, dass Explosionen schon auf dem Meeresboden stattfanden, und dass es mehrere Explosionen gab, mit messbaren seismischen Impulsen, über Minuten nach dem Ereignis. | Hoch in technischer Hinsicht: geophysikalische Daten sind ziemlich belastbar, die Methoden transparent publiziert. Aber: sie zeigen wo und wann, nicht wer. | Wichtig dafür zu zeigen: Es war eine koordinierte Explosion, wahrscheinlich mit Vorplanung und technischer Ausführung - nicht einfach eine unbeabsichtigte Leckage oder ein Unfall. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass professionelle Kräfte involviert waren. |
| Seymour Hersh’s Bericht | Hersh behauptet: Ein US-Plan, genehmigt von Präsident Biden, unter Nutzung von US Navy Divers und norwegischer Beteiligung; Sprengladungen seien 2022 im Rahmen von BALTOPS Übungen platziert worden. Die Beweise seien verlassen oder versteckt worden; Spuren minimal. | Niedriger bis mittlerer Verlässlichkeit: Hersh’s Quellen sind anonym; viele Behauptungen werden von Regierungen, darunter der US-Regierung und Norwegen, klar zurückgewiesen. Kein belastbarer, öffentlich zugänglicher Dokumentennachweis. | Für die These einer Geheimdienstoperation entscheidend, weil er einen Plan, Auftraggeber, Ablauf und beteiligte Akteure benennt. Wenn ein Teil der Behauptungen stimmt, könnte es den Rahmen der bisherigen Ermittlungen erweitern oder hinterfragen. |
| Reaktionen offizieller Stellen | USA / White House / CIA: vollumfängliche Ablehnung von Hersh’s Behauptungen. Norwegen und andere Länder haben ähnliches geäußert. | Sehr hoch: offizielle Stellungnahmen. Aber Ablehnungen sind politisch motiviert, wenig überraschend in heiklen Fällen. Nicht gleichbedeutend mit Widerlegung. | Wichtig als Gegenstimme; zeigt, wie schwierig es ist, belastbare Beweise durchzusetzen, wenn Staaten betroffen sind. |
| Haftbefehle & Verdächtige | Serhii K. wurde in Italien festgenommen (EU-Haftbefehl Deutschlands) wegen Verdacht der Beteiligung. Andere Ukrainer werden verdächtigt. Vogtl. Flucht/Schutz in der Ukraine. | Relativ solide: Strafrechtliche Schritte, Auslieferungsverfahren, offizielle Ermittlungen. Aber: Verdacht, keine Verurteilung; viele Details noch unklar oder nicht öffentlich gemacht. | Zeigt: Die deutsche Justiz glaubt, genügend Verdachtsmomente zu haben, um formal zu handeln. Das macht die Theorie, wonach nicht nur Eigeninteressen einzelner Beteiligter, sondern größere Planung nötig war, eher plausibel. |
🗣️ Politische Äußerungen mit möglicher Relevanz
Mehrere Äußerungen westlicher Spitzenpolitiker vor und nach der Nord-Stream-Sprengung haben bei Beobachtern den Verdacht geweckt, dass zumindest einige Akteure von einer möglichen Sabotage wussten oder sie begrüßten.
| Datum | Person / Funktion | Zitat (Original / sinngemäß) | Kontext & Einordnung |
| 7. Februar 2022 | Joe Biden, US-Präsident | „If Russia invades … there will be no longer a Nord Stream 2. We will bring an end to it.“ | Gemeinsame Pressekonferenz mit Olaf Scholz. Klare politische Drohung gegen Nord Stream 2 im Vorfeld des russischen Angriffs. Offiziell später als Hinweis auf Sanktionen interpretiert. |
| 27. Januar 2022 | Victoria Nuland, US-Staatssekretärin | „If Russia invades Ukraine, one way or another, Nord Stream 2 will not move forward“. | Frühzeitige Aussage vor der Invasion. Deutet an, dass die USA bereit wären, Nord Stream 2 auf welche Weise auch immer zu stoppen. |
| Juli 2022 | Annalena Baerbock, deutsche Außenministerin | „Nord Stream 2 ist politisch tot“. | Stellungnahme im Bundestag. Zeigt: Deutschland hatte das Projekt faktisch aufgegeben – unabhängig vom technischen Zustand der Pipeline. |
| 26. September 2022 | Radoslaw Sikorski, polnischer Ex-Außenminister (Tweet) | „Thank you, USA.“ (über Foto der Leckstelle) | Direkt nach Bekanntwerden der Explosionen gepostet, später gelöscht. Erklärte den Tweet als „provokative persönliche Meinung“. Wurde international stark beachtet. |
| 30. September 2022 | Antony Blinken, US-Außenminister | „It’s a tremendous opportunity to once and for all remove the dependence on Russian energy“. | Pressekonferenz nach der Sabotage. Wertete das Ereignis als „Chance“ zur Neuausrichtung der Energiepolitik Europas. |
| 26. Januar 2023 | Victoria Nuland, US-Staatssekretärin | „I am … very gratified that Nord Stream 2 is now a hunk of metal at the bottom of the sea“. | Senatsanhörung in Washington. Aussage wirkt wie ein Ausdruck der Genugtuung über die Zerstörung. |
| Februar 2023 | Seymour Hersh, Investigativjournalist | Bericht: US-Navy-Taucher sollen im Juni 2022 Sprengsätze platziert haben (BALTOPS 22). | Nicht Regierungs-, sondern Medienquelle. Seine Veröffentlichung brachte neue Dynamik in die Diskussion über mögliche westliche Beteiligung. |
| März 2023 | Dmitri Peskow, Sprecher des Kreml | „Es ist offensichtlich, dass die USA und Großbritannien profitiert haben“ | Russische Reaktion auf Hersh-Bericht. Teil der politischen Gegenpropaganda, aber zeigt, wie stark die westlichen Äußerungen international wahrgenommen wurden. |
🔍 Analyse
- Zwischen Januar 2022 und Januar 2023 häufen sich westliche Aussagen, die Nord Stream 2 ablehnen oder dessen Ende begrüßen.
- Nach der Explosion klingen einige Stellungnahmen (insbesondere von Nuland und Blinken) nicht schockiert, sondern erleichtert.
- In der Rückschau entsteht ein Muster: Politische, ökonomische und sicherheitspolitische Interessen vieler westlicher Akteure liefen bereits vor der Sabotage gegen Nord Stream 2.
Bewertung & Schlussfolgerungen
Auf Basis dieser Informationen lassen sich einige Schlüsse ziehen — unter Betonung, was gesichert ist und was nicht.
- Sicher gesichert sind:
- Es handelt sich um Sabotage, nicht um einen bloßen Unfall. Technische, seismische, optische Daten stimmen damit überein.
- Ermittlungen in Deutschland konzentrieren sich auf eine Gruppe ukrainischer Staatsangehöriger, eine Yacht (Andromeda), Diver und einen gewissen logistischen Aufwand.
- Es existieren reale internationale Haftbefehle und Verhaftungen, was zeigt: Ein großer Teil der Beweiskette wird von Ermittlungsbehörden ernst genommen.
- Unsicher oder spekulativ:
- Ob und in welchem Ausmaß staatliche Geheimdienste involviert sind oder ob offizielle Staaten einen Auftrag gegeben haben. Hersh spricht das an, aber seine Behauptungen sind nicht öffentlich gerichtsfest bestätigt.
- Ob die Operation Teil einer politischen Strategie war, die direkt von Staatsoberhäuptern ausgeht — oder ob es sich um Aktionen handelt, die privat, halbstaatlich oder durch subnationale Akteure mit Unterstützung handelten.
- Ob die Version mit US Navy Divers und norwegischer Beteiligung stimmt — abgesehen von offiziellen Dementis gibt es keine unabhängig verifizierte Quellen, die alle Vorwürfe belegen.
- Wie stark unterstützt die Gesamtlage die Geheimdienst-These?
- Die operativen Komponenten (Yacht, Taucher, Routen, Vorbereitungen) sprechen stark dafür, dass es kein „low-level“ Sabotageakt war.
- Satellitendaten und maritime Überwachung („dark ships“) deuten auf Vorbereitung und Tarnung hin.
- Die Tatsache, dass Ermittlungsbehörden genügend Verdachtsmomente sahen, um Haftbefehle gegen bestimmte Individuen zu erlassen, gibt dem Ganzen Gewicht.
- Was bräuchte es, um die Geheimdienst-These als beweisbare Tatsache zu machen?
- Veröffentlichte, forensisch belastbare Dokumente, z. B. Explosivstoffechemie, Logbücher, Abhörprotokolle, Kommunikation zwischen Auftraggebern und Ausführenden.
- Zeugenaussagen, die belastbar sind und nicht anonym oder parteiisch.
- Gerichtsentscheidungen, die in einem offenen Verfahren geprüft werden können, wo auch Geheimdienste sich nicht durch Geheimhaltung entziehen können.
- Internationale Kooperation in der Ermittlung, Offenlegung von Daten, insbesondere aus Ländern mit geostrategischem Interesse.
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Zwischen Symbolpolitik und Energiekrieg – Was Trumps Aussage, die Baltic Pipe und der Nord-Stream-Fall verbindet
Einleitung – Eine Sabotage, viele Deutungen
Die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines im September 2022 war nicht nur ein Angriff auf Europas Energieinfrastruktur, sondern auch ein politisches Beben, dessen Nachwirkungen bis heute spürbar sind. Während offizielle Untersuchungen weiterlaufen und wenig eindeutig geklärt scheint, mehren sich politische und zeitliche Zusammenhänge, die den Fall zu einem Brennpunkt geopolitischer Interessen machen.
Besonders drei Aspekte werfen Fragen auf:
- die kryptische Äußerung Donald Trumps,
- die fast zeitgleiche Inbetriebnahme der Baltic Pipe,
- und der Fall eines mutmaßlichen Verdächtigen, der laut Medienberichten mit diplomatischer Unterstützung in die Ukraine gelangt sein soll.
Trumps kryptisches Schweigen
In einem Interview mit Fox News im April 2023 fragte Moderator Tucker Carlson den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump:
„Wer hat die Nord-Stream-Pipeline gesprengt?“
Trump antwortete knapp:
„Ich möchte unser Land nicht in Schwierigkeiten bringen.“
Diese Formulierung, „get our country in trouble“, warf weltweit Spekulationen auf. Trump betonte zwar im selben Atemzug, dass „es nicht Russland“ gewesen sei, verweigerte aber jede weitere Erklärung.
Analysten interpretierten die Aussage auf zwei Arten:
- als Ausweichreaktion eines Politikers, der keine diplomatische Krise riskieren will,
- oder als Andeutung, dass die US-Regierung oder verbündete Kräfte an der Sabotage beteiligt gewesen sein könnten.
Beweise dafür gibt es nicht. Doch Trumps Worte verliehen einer ohnehin sensiblen Debatte neue Nahrung – insbesondere in Europa, wo die Zerstörung von Nord Stream als Wendepunkt in der Energieabhängigkeit gesehen wurde.
Die Baltic Pipe: Ersatz zur rechten Zeit
Nur wenige Tage nach der Sprengung – am 27. September 2022 – wurde die Baltic Pipe offiziell eröffnet. Sie verbindet norwegische Gasfelder mit Polen und läuft über Dänemark durch die Ostsee.
Das Projekt war bereits 2018 beschlossen und sollte Polen helfen, die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren. Dennoch war der Zeitpunkt bemerkenswert: Während Nord Stream stillgelegt und beschädigt wurde, floss durch die Baltic Pipe erstmals Gas.
Offiziell ein Zufall – und doch für viele Beobachter ein politisches Signal.
Während Deutschland plötzlich ohne russisches Pipelinegas dastand, konnte Polen seine Versorgung sichern. Die EU begrüßte das Projekt als „strategisch bedeutsam für Europas Energiesouveränität“.
Kritiker sahen darin einen geopolitischen „Plan B“, der auf westlicher Seite schon lange vorbereitet war: Während Nord Stream 2 umstritten blieb und kurz vor der Explosion gestoppt wurde, stand eine westlich kontrollierte Alternativroute bereit.
Nord Stream versus Baltic Pipe – ein Symbolkonflikt
Die Parallelität der Ereignisse offenbart mehr als eine technische Geschichte über Gasleitungen. Sie steht für zwei Energievisionen:
- Nord Stream als Symbol für die energiepolitische Achse Berlin–Moskau,
- Baltic Pipe als Symbol für eine Nordatlantische Neuordnung mit Fokus auf Norwegen, Polen und die USA.
Mit der Zerstörung von Nord Stream verschob sich das Machtgefüge endgültig. Die EU-Staaten, die zuvor teils zögerlich in der Russlandpolitik waren, richteten ihre Energiepolitik stärker an NATO-Partnern aus.
Im selben Jahr unterzeichnete Polen neue Gasabkommen mit den USA, während Deutschland LNG-Terminals in Rekordzeit errichten ließ.
Politisch wirkte das wie ein koordiniertes „Entkoppeln“ von russischer Energie – ob geplant oder beschleunigt durch die Explosion, bleibt offen.
Der mutmaßliche Verdächtige und die diplomatische Spur
Ein weiterer Punkt, der den Fall komplizierter machte, war ein Bericht des Spiegel aus dem Jahr 2024:
Demnach sei ein ukrainischer Tatverdächtiger der Nord-Stream-Sabotage, Volodymyr Z., von Polen in einem Fahrzeug der ukrainischen Botschaft nach Kiew gereist. Das Auto habe diplomatische Kennzeichen getragen, und die Fahrt sei im Sommer 2024 erfolgt.
Offiziell bestätigte die ukrainische Regierung diesen Vorgang nicht. Polnische Ermittlungsbehörden äußerten sich ebenfalls nicht im Detail. Sollte sich die Darstellung bestätigen, würde sie jedoch nahelegen, dass der Verdächtige unter diplomatischem Schutz ausreisen konnte – was internationale Brisanz hätte.
Die deutschen Ermittler hatten bereits zuvor auf „Hinweise auf ukrainische Verbindungen“ im Fall hingewiesen, aber zugleich betont, dass keine Beweise für staatliche Beteiligung vorlägen.
Dennoch fügten sich solche Berichte in ein geopolitisches Bild, in dem staatliche Interessen, Geheimdienstoperationen und diplomatische Kanäle möglicherweise eng verwoben sind.
Trumps „Don’t get in trouble“ im neuen Licht
Wenn man die Ereignisse zusammennimmt – die Explosionen, die zeitgleiche Inbetriebnahme der Baltic Pipe, die möglichen ukrainischen Verbindungen und Trumps rätselhafte Zurückhaltung –, entsteht das Bild eines internationalen Vorfalls, bei dem viele Akteure ein Interesse am Schweigen haben könnten.
Trumps Satz könnte dabei weniger ein Eingeständnis als eine Warnung gewesen sein:
Dass jede klare Aussage zum Täterkreis automatisch politische Verwerfungen zwischen den USA, Europa und Russland auslösen würde.
Ob diese Einschätzung richtig ist, bleibt Spekulation. Doch der Kontext, in dem er fiel, legt nahe, dass er die Brisanz der Lage sehr genau verstand.
Ein geopolitischer Wendepunkt
Die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines markierte mehr als das Ende einer Gasleitung.
Sie war ein Signal, dass die europäische Energieordnung nach dem Kalten Krieg endgültig zerbrochen ist.
- Russland verlor sein stärkstes wirtschaftliches Druckmittel gegenüber Westeuropa.
- Die USA und Nordeuropa gewannen an Einfluss über alternative Energieflüsse.
- Und Deutschland, einst energiepolitischer Brückenbauer, wurde zum Importeur teurer LNG-Gase – abhängig von globalen Märkten statt von bilateralen Verträgen.
In dieser neuen Konstellation war die Baltic Pipe nicht nur Infrastruktur, sondern Symbol: Sie zeigte, dass Europas Energiepolitik nicht mehr durch Moskau, sondern durch westliche Allianzen definiert wird.
Fazit
Trumps rätselhafte Worte, die rasche Verfügbarkeit der Baltic Pipe und die diplomatische Episode rund um einen ukrainischen Verdächtigen sind keine Beweise für eine internationale Absprache – aber Indizien für komplexe Machtinteressen im Hintergrund.
Die offiziellen Untersuchungen bleiben vage, die politischen Linien verhärtet.
Fest steht nur: Die Nord-Stream-Sabotage war kein isoliertes Ereignis, sondern Teil eines umfassenden geopolitischen Umbruchs.
Und Trumps Satz – „I don’t want to get our country in trouble“ – klingt rückblickend weniger wie Ausweichen, sondern eher wie Einsicht in eine Wahrheit, die für alle Seiten zu gefährlich wäre, um offen ausgesprochen zu werden.
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Aktuelle Entwicklungen:
📰 Was man aktuell weiß
- Ein Ukrainer namens Volodymyr Z., mutmaßlicher Verdächtiger im Fall Nord-Stream, wurde Ende September 2025 in der Nähe von Warschau (Polen) festgenommen.
- Deutschland hat einen Europäischen Haftbefehl gegen ihn erlassen. Man wirft ihm Beteiligung an Sprengungen der Nord-Stream-Pipelines vor: Teil einer Gruppe, die u.a. eine Yacht (Andromeda) gemietet haben soll, Sprengladungen platziert haben soll.
- Ein polnisches Gericht hat seine U-Haft zunächst um 40 Tage verlängert, während geprüft wird, ob eine Auslieferung nach Deutschland auf Basis des europäischen Haftbefehls erfolgen kann.
🗣️ Was Donald Tusk bzw. Polen dazu gesagt haben
- Polens Premierminister Donald Tusk hat erklärt: „Es sei nicht in Polens Interesse, diesen Bürger an ein anderes Land auszuliefern.“
- Er betonte, dass Polen von Anfang an gegen Nord Stream 2 gewesen sei und dass die größere Problematik für Polen (und andere Länder) nicht sei, dass die Pipeline gesprengt worden sei, sondern dass sie überhaupt gebaut wurde.
- Tusk sagte auch, es sei „im Interesse eines Gefühls von Anstand und Gerechtigkeit“, den Verdächtigen nicht auszuliefern oder ihn gar anzuklagen.
⚖️ Mögliche Motive & politische Logik
Warum könnte Polen (bzw. Tusk) gegen die Auslieferung sein?
- Symbolische / politische Gründe
Polen war von Beginn an gegen Nord Stream 2 – Tusk stellt sich damit womöglich als Verteidiger jener, die kritisieren, dass Europa von russischem Gas abhängig wurde. Die Ablehnung einer Auslieferung kann als Fortführung dieser Position gesehen werden. - Rechtliche und diplomatische Vorsicht
Ein Auslieferungsverfahren kann komplex sein: Polen müsste sicherstellen, dass die deutschen Akten, Beweise etc. transparent sind und – sofern nötig – Rechtsschutz gegeben ist. Möglicherweise befürchten sie, dass die Bedingungen oder der Prozess nicht fair sind. - Innenpolitische Kalküle
Solche Themen sind innenpolitisch wirkmächtig: Patriotismus, Skepsis gegenüber Russland, Misstrauen gegenüber Deutschland oder generell höheres Gewicht für nationale Souveränität. Nicht auszuschließen, dass Tusk damit bei Teilen des politischen Spektrums in Polen punkten will. - Geopolitische Signale
Ablehnung der Auslieferung sendet ein Signal: Polen möchte seine Unabhängigkeit und sein Gewicht in der EU sichern. Es könnte sich auch um Balanceakte handeln zwischen der Unterstützung der Ukraine, der EU-Solidarität, aber auch nationalen Interessen.
🔍 Bedeutung für die Geheimdienst-These
Diese Entwicklung passt in verschiedener Hinsicht in die Hypothese einer verdeckten, internationalen Operation:
- Wenn Polen sich weigert, auszuliefern, könnte das darauf hindeuten, dass mehr bekannt ist, als öffentlich sichtbar ist — oder dass Polen möglicherweise nicht möchte, dass bestimmte Informationen oder Akteure im Rahmen eines deutschen Prozesses aufgedeckt werden.
- Die Tatsache, dass bereits Verdächtige in verschiedenen Ländern festgenommen werden, und dass Auslieferungsfragen zum Streitpunkt werden, zeigt: Der Fall ist nicht abgeschlossen, und die beteiligten Staaten haben unterschiedliche Interessen.
- Wenn man die Theorie vertritt, dass westliche Geheimdienste oder staatliche Akteure involviert sind, könnte die Ablehnung Polens ein Hinweis sein auf Staaten, die nicht möchten, dass bestimmte Verantwortlichkeiten öffentlich gemacht werden. Zum Beispiel könnte das deutsche Ermittlungsverfahren Dinge enthalten, die politisch belastend sind – eine Auslieferung würde eine Gerichtsverhandlung ermöglichen, Beweismaterial sichtbarer machen.
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