🌲🕯️ „Vom Licht im Dunkel – Die Farben der Adventkerzen“
Ein Erzählstück aus dem bäuerlichen Jahreslauf
Wenn im Spätherbst die Tage immer kürzer werden und die Schatten länger über den Hof kriechen, dann wissen wir am Land: Jetzt kommt die stillste Zeit im Jahr. Die Zeit, in der man mehr hört als sieht – das Knistern im Ofen, das tiefe Atmen des Stalles, oder den Wind, der ums Eck pfeift wie ein altes Lied.
Und mitten in dieser Dunkelheit steht er wieder auf dem Tisch: der Adventkranz.
Vier Kerzen auf einem Kranz aus Tannenreisig – so schlicht, und doch eines der stärksten Zeichen, die wir im Winter haben.
Doch kaum jemand denkt mehr daran, dass jede Farbe ihrer Kerzen eine eigene, feine Bedeutung trägt, und dass diese Traditionen nicht bloß Dekoration sind, sondern Stücke einer alten Sprache, die unsere Großeltern noch verstanden.
🟣 Violett – die Farbe der Erwartung
Die ersten drei Kerzen waren früher fast überall violett.
Nicht zufällig: Violett ist die liturgische Farbe der Besinnung und der Vorbereitung.
Im Advent – der „kleinen Fastenzeit“ – sollte der Mensch still werden, in sich hineinhören, und ein wenig das Herz ordnen.
Die Bauern sagten:
„Im Advent wird die Schwere leichter, wenn die Stube still ist.“
So stand das Violett nicht für Traurigkeit, sondern für ein leises, aufmerksames Warten – wie das Land selbst, das unter Schnee und Frost langsam neuen Kräften Raum gibt.
🌸 Rosa – ein Lichtpunkt im Warten
Die dritte Kerze, die am Gaudete-Sonntag angezündet wird, ist eine Besonderheit:
Sie ist rosa – ein aufgehelltes Violett.
Es ist, als würde die Dunkelheit selbst für einen Moment ein wenig weich werden.
Die Kirche sagt dazu:
„Gaudete – Freut euch!“
Ein Vorgeschmack auf das Licht von Weihnachten.
Ich erinnere mich: Bei uns daheim hieß es an diesem Sonntag:
„Jetzt dauert’s nimmer lang.“
Und wir Kinder wussten sofort, was gemeint war.
🔴 Rot – die Farbe der winterlichen Stuben
Viele Kränze heute haben vier rote Kerzen.
Das ist nicht kirchlich vorgeschrieben – es ist alte bäuerliche Tradition.
Rot war in den winterlichen Bauernstuben die Farbe der Wärme:
der Flammen, der Wolle, der bemalten Christbaumkugeln, der Sonntagsbänder an den Schürzen.
Rot steht für:
- das Herz
- die Liebe
- das Feuer in einer kalten Welt
Ein Adventkranz mit roten Kerzen war wie ein kleines Herdfeuer für die Seele.
⚪ Die weiße „Christuskerze“
Manche Familien stellten – gern im evangelischen oder klösterlichen Umfeld – eine weiße Kerze in die Mitte des Kranzes.
Sie wurde in der Heiligen Nacht entzündet.
Weiß steht für:
- Reinheit
- Neubeginn
- das Licht, das die Dunkelheit nicht begreifen kann
Es war, als würde der Kranz selbst sagen:
„Jetzt wird alles neu.“
🌾 Der alte Volksglaube – Kerzen als Haussegen
In alten Bauernhäusern hatten die Kerzen noch eine zweite Bedeutung:
Jede stand für einen Schutz, den man erhoffte.
- 1. Kerze: Segen für Haus und Hof
- 2. Kerze: Schutz für das Vieh
- 3. Kerze: Gesundheit für die Familie
- 4. Kerze: Bewahrung vor Unheil im kommenden Jahr
Und in den Rauhnächten wurde der adventliche Schmuck oft verbrannt oder verräuchert – nicht aus Aberglauben, sondern aus dem Wunsch, gut durch die dunkle Zeit zu kommen.
🕯️🌟 Wenn der Kranz zum Herzen spricht
So ist der Adventkranz mehr als ein Schmuckstück.
Er ist ein leiser Begleiter durch die dunklen Wochen.
Jede Kerze ein Schritt, jedes Licht ein Atemzug.
Und wenn die vierte Kerze brennt, weiß man:
Das Dunkel hat seinen stärksten Punkt überschritten.
Es ist wie das alte Bauernwort sagt:
„Wo ein Licht brennt, da kann die Nacht nicht bleiben.“
