
🌎 Zwischen Öl, Idealen und Macht: Der stille Krieg zwischen den USA und Venezuela
Es gibt Themen, bei denen man merkt, dass sich die Welt nicht in Schwarz und Weiß einteilen lässt.
Der Konflikt zwischen den USA und Venezuela ist eines davon. Ich habe mit dem Kommunismus nie wirklich etwas am Hut gehabt – mir ist die Freiheit des Einzelnen zu wichtig –, aber wenn ich auf das blicke, was zwischen Washington und Caracas seit Jahrzehnten passiert, dann drängt sich ein Gedanke auf: Hier geht es weniger um Ideale, sondern um Macht, Ressourcen und Kontrolle.
Die Geschichte eines Bruchs
Venezuela war einmal der verlässlichste Öllieferant der USA. Jahrzehntelang floss das schwarze Gold aus den riesigen Feldern des Orinoco-Beckens direkt in amerikanische Raffinerien.
Doch Ende der 1990er kam ein Mann an die Macht, der die Spielregeln neu schreiben wollte: Hugo Chávez.
Mit seiner bolivarischen Revolution versprach er, das Öl endlich dem venezolanischen Volk zurückzugeben. Er verstaatlichte Industrien, startete Sozialprogramme, die Millionen aus der Armut holten, und prangerte die Ungleichheit des globalen Nordens an.
Aber er tat das auf eine Weise, die Washington als Affront verstand: Antiimperialistische Reden, Allianzen mit Kuba, Russland, China – und der Anspruch, eine neue sozialistische Weltordnung zu formen.
Was folgte, war eine langsame, aber stetige Entfremdung.
Aus dem einstigen Partner wurde ein ideologischer Gegner – und Venezuela wurde zu einer Art Symbol des Widerstands gegen die US-Dominanz in Lateinamerika.
Das Öl – Segen und Fluch
Es klingt paradox, aber kaum ein Land wurde so sehr durch seinen Reichtum verflucht wie Venezuela.
Mit den größten nachgewiesenen Erdölreserven der Welt hätte es ein südamerikanisches Norwegen werden können. Doch das Gegenteil geschah:
Eine Wirtschaft, die fast nur vom Öl lebte, machte das Land abhängig von einem einzigen Produkt – und von dessen Preis auf dem Weltmarkt.
Als der Ölpreis 2014 abstürzte, kollabierte das System.
Das, was Chávez aufgebaut hatte, zerbröckelte unter seinem Nachfolger Nicolás Maduro.
Korruption, Misswirtschaft und Vetternwirtschaft taten ihr Übriges.
Die Inflation schoss in astronomische Höhen, Millionen Menschen verließen das Land, und wer blieb, kämpfte ums tägliche Überleben.
Washingtons Sicht: Demokratie oder Einfluss?
Aus Sicht der USA ist Venezuela heute ein autoritärer Staat, der Wahlen manipuliert, Oppositionelle verfolgt und Medien kontrolliert.
Das ist nicht völlig falsch – Berichte der UNO und internationaler Beobachter dokumentieren tatsächliche Repression und Menschenrechtsverletzungen.
Doch Washingtons Reaktion war – typisch für seine Außenpolitik – nicht nur moralisch, sondern strategisch motiviert.
Mit Sanktionen gegen den venezolanischen Ölsektor, eingefrorenen Auslandskonten und politischer Unterstützung für den Oppositionsführer Juan Guaidó versuchte man, Maduro zu stürzen.
Offiziell im Namen der Demokratie – inoffiziell, sagen Kritiker, um den Einfluss Russlands und Chinas in der Region zu begrenzen und den Zugang zu den Ölreserven zu sichern.
Caracas’ Sicht: Souveränität unter Belagerung
Die venezolanische Regierung wiederum spricht von einem „wirtschaftlichen Krieg“, der ihr Land erst in den Ruin getrieben habe.
Und tatsächlich: Die US-Sanktionen haben die Lage dramatisch verschärft.
Internationale Banken weigern sich, venezolanisches Geld zu transferieren. Öl kann kaum exportiert werden. Ersatzteile, Medikamente, Lebensmittel – vieles ist blockiert.
Die Regierung in Caracas nutzt das als Beweis für den „imperialistischen Charakter“ der USA.
Sie verweist auf die Zeit, als Lateinamerika jahrzehntelang Washingtons Hinterhof war – und sieht sich heute als Bollwerk gegen die Rückkehr jener Verhältnisse.
Natürlich blendet das eigene Versagen dabei manches aus.
Aber wer sich nur auf die offizielle US-Erzählung verlässt, übersieht, dass die Sanktionen Millionen Menschen ins Elend gestürzt haben, ohne die Machtverhältnisse wirklich zu verändern.
Die Bevölkerung – gefangen zwischen Idealen und Interessen
Für die Menschen in Venezuela ist dieser Machtkampf längst kein geopolitisches Schachspiel mehr, sondern harte Realität.
Stromausfälle, Mangel an Grundnahrungsmitteln, unsichere medizinische Versorgung – während sich die politische Elite auf beiden Seiten in moralischen Erklärungen übt.
Einige sehen in Maduro immer noch den Verteidiger nationaler Würde. Andere halten ihn für den Totengräber eines Landes, das einst reich war.
Zwischen diesen Extremen bleibt kaum Platz für Grautöne – und doch liegt die Wahrheit wahrscheinlich genau dort.
Ein Konflikt ohne Gewinner
Wenn man versucht, diesen Konflikt objektiv zu betrachten, muss man zwei Wahrheiten gleichzeitig aushalten:
- Ja, die venezolanische Regierung hat demokratische Prinzipien verletzt, Oppositionelle verfolgt und wirtschaftlich katastrophale Entscheidungen getroffen.
- Aber die USA haben diesen Niedergang politisch instrumentalisiert, um eigene Machtinteressen durchzusetzen – und dabei die Bevölkerung zum Druckmittel gemacht.
Beide Seiten sprechen von Freiheit. Beide Seiten meinen Macht.
Und während Ideologien gegeneinander prallen, bleibt das eigentliche Ziel – ein Leben in Würde für die Menschen – auf der Strecke.
Was bleibt?
Vielleicht ist Venezuela ein Lehrstück darüber, wie gefährlich Ideologien werden, wenn sie auf Rohstoffe treffen.
Und darüber, wie leicht große Worte – „Demokratie“, „Revolution“, „Souveränität“ – zu Werkzeugen werden, um alte Machtspiele zu verschleiern.
Man kann Chávez’ Sozialismus kritisieren und doch anerkennen, dass seine Idee einer gerechteren Welt viele Menschen berührt hat.
Man kann die US-Kritik an Menschenrechtsverletzungen teilen und trotzdem sehen, dass ihre Sanktionen mehr Leid als Wandel gebracht haben.
Der Konflikt zwischen den USA und Venezuela zeigt vor allem eines:
Dass man nicht auf der richtigen Seite der Geschichte steht, nur weil man glaubt, sie zu schreiben.
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